„Wir sind da, du darfst gehen.” Wenn es Zeit wird, sich vom Hund zu verabschieden.

„Wir sind da, du darfst gehen.” Wenn es Zeit wird, sich vom Hund zu verabschieden.

Ein verregneter Sonntag im Moor: Cashis letzter großer Auftritt.

SONNTAG. Ein verregneter Tag. Ich bin mit Katharina und Steffi im Moor verabredet. Wir wollen eine kleine Fotosession machen. Ich habe mir Bilder von Felly gewünscht – und da Katharina Aufnahmen für ihren Jagdhundekalender brauchte, habe ich zugesagt. Cash durfte ich auch mitbringen. Es sollte sein letzter großer Auftritt werden.

Wir fotografierten beide Hunde beim Apportieren – und Cash war in seinem Element. Er ist kein Jagdhund, aber ein unglaublich passionierter Apportierer. Ein Moment bleibt besonders in meinem Herzen: Cash läuft auf mich zu, das Apportel fest im Maul, voller Stolz. Ich spüre seine Freude – und sie springt einfach über. Ein wunderschöner Tag. Einer, den ich nie vergessen werde. Und der nun einen noch tieferen Platz in meinem Herzen hat.

Die ersten Anzeichen: Cashi geht es plötzlich ziemlich schlecht

MONTAGABEND. Es geht ihm plötzlich nicht gut. Cash liegt beunruhigend still auf der Couch. Auf der letzten Gassirunde bleibt er immer wieder stehen und mag nicht weiterlaufen. Wir entscheiden uns dazu, in die Klinik zu fahren. Dort wird er untersucht und bekommt Medikamente. In dieser Nacht nehmen wir ihn wieder mit nach Hause.

DIENSTAGMORGEN. Die Nacht war unruhig. Cash übergibt sich häufig. Selbst Wasser bleibt nicht mehr in seinem Körper. Deshalb fahren wir am frühen Morgen in den Notdienst unseres Tierarztes. Der Ultraschall lässt nichts Gutes ahnen. Der Rat: Zurück in die Klinik. Als wir dort ankommen, geht es ihm bereits so schlecht, dass er nicht mehr selbst laufen kann. Diesmal bleibt der Hund in der Klinik.

MITTWOCH. Ich telefoniere mit der Klinik. Die Nacht war stabil. Allerdings sind die Blutwerte miserabel. Er bekommt ein Antibiotikum und Schmerzmittel. Die Ärztin schlägt vor, diesen Tag zu nutzen, um eine letzte Untersuchung durchzuführen. Das Ergebnis entscheide, wie es mit dem Hund weiterginge. 

Die letzten Stunden

DONNERSTAGMORGEN. 8:00 Uhr. Die Klinik ruft an. Mein Herz hämmert. Die Worte der Ärztin klingen gefasst, doch sie schneiden tief: „Die Werte haben sich nicht gebessert. Im Gegenteil. Es tut mir leid, bitte kommen sie vorbei.​” Ich sacke zusammen und die Tränen fließen.

9:00 Uhr. Wir sitzen in einem der vielen Behandlungsräume der Klinik. Cash wird auf einer weichen Decke hereingetragen. Als er meinen Mann sieht, hebt er mit letzter Kraft seinen Kopf. Eine kleine Regung, die mir sagt: „Da seid ihr ja! Ich habe auf euch gewartet.”

An der Tür klebt bereits der rote Hinweis – die Ärztin lässt uns allein. Mein Mann streichelt Cash und weint. Ich lege meine Hände auf seine Hinterläufe, spüre sein dichtes Fell, seine Wärme. Ich schließe die Augen und sage still: „Wir sind da. Du darfst gehen.”

Plötzlich ploppen tolle Erlebnisse auf

Meine Gedanken kreisen. Ich sehe den Strand, das Buddeln, das Meer. Er war bei jedem meiner Seminar dabei. Er hat mich begleitet, mir Kraft gegeben und meine Gedanken geordnet. Wegen ihm steht auf meiner Visitenkarte: Silke Beyer, Hundetrainerin.

Durch Cashi bin ich geduldiger, fröhlicher und mutiger geworden. Er hat mich so oft aus meiner Komfortzone geholt – und genau deshalb bin ich heute die, die ich bin.

So sehr es wehtut, fühle ich gleichzeitig eine tiefe Dankbarkeit — für jeden einzelnen Moment, auch für diesen, für jede Lektion und ganz besonders für unseren Cashiman.

„Danke, Cashi”, flüstere ich. „Wir sind heute noch einmal ganz für dich da.”

Der letzte Moment

Dann öffnet sich die Tür. Die Ärztin kommt zurück. „Liebe Familie, es ist Zeit.” „Okay”, sagt mein Mann leise. „Tschüss, Räuber.”

Die Ärztin arbeitet sehr ruhig und routiniert. Ich spüre, wie sich sein Körper noch ein letztes Mal bewegt. Dann liegt der leblose kleine Körper eines Hundes vor uns, der uns elf Jahre lang begleitet hat. Wir wickeln ihn behutsam in seine rote Decke und nehmen ihn mit – auf unsere gemeinsame letzte Reise.

Cashis Lebenskreis schließt sich

Die Autofahrt nach Hause war genauso emotional wie vor elf Jahren, als der kleine Mann bei uns einzog. Damals saß er zitternd auf dem Schoß meines Mannes, ohne zu wissen, was ihn erwartet. Jetzt lag er still da, als würde er schlafen. Doch erwarten wird er nichts mehr.

Sein Lebenskreis hat sich geschlossen.

Goodbye, Cashi.

Was ich aus dem Abschied mitgenommen habe

Ein Abschied verändert alles – nicht nur den Alltag, sondern auch den Blick auf das Leben. Vielleicht helfen dir diese Gedanken, wenn du selbst Abschied nehmen musst:

Das Leben ist endlich und deshalb kostbar.

Ich habe verstanden, dass gemeinsame Zeit kostbar ist. Nicht nur, weil sie viel zu schnell vergeht, sondern auch wegen all der Erlebnisse mit den Menschen und Tieren, die uns Tag für Tag begleiten. Und von den Erlebnissen sollte es jeden Tag genügend geben!

„Das letzte Mal” erkennst du erst, wenn es vorbei ist.

Ich genieße heute jede Gassirunde mit den Mädels, weil ich weiß, wie wertvoll jeder Moment ist. Und: Es könnte das letzte Mal sein.