Guerilla-Apport: Dummytraining zwischen Denkmal und Bauzaun

Guerilla-Apport: Dummytraining zwischen Denkmal und Bauzaun

Der Begriff entstand in einer meiner Apportiergruppen. Genauso wie die Idee dazu. Denn wenn eine Gruppe viele Jahre zusammen arbeitet, dann suchen die Gespanne irgendwann nach neuen Herausforderungen im Dummytraining.

Da wir uns wenig am klassischen Apportieren orientieren, weil unser Fokus immer darauf liegt, den Hund alltagstauglich zu machen, begannen wir, uns an ungewöhnlichen Orten zu treffen: Hügel, Halden, Denkmäler, Relikte der Industriekultur. Wir arbeiteten auf Beton statt Wiese, auf Kies statt Acker. Die Bedingungen wechselten – und das war gewollt.

Dummys suchen, wo das Leben stattfindet

Die Umgebung lässt sich nicht ausblenden. Nicht nur der Boden oder das Gelände ist wichtig, sondern alles, was dort geschieht. Menschen, Geräusche, andere Hunde.

Das ist nicht immer leicht. Besonders dann nicht, wenn kopflose Freiläufer in unsere Gruppe stürmen, mit hoch getragener Rute und fixierendem Blick, während unsere Hunde gerade mit Beute arbeiten.

Zum Glück kennen wir unsere Hunde gut. Wir behalten die Situation im Blick. Doch kann das der andere Halter auch? Unvorhergesehenes zu managen gehört für uns dazu. Genau das macht unser Training aus.

Draußen zu trainieren bedeutet, ohne doppelten Boden auszukommen. Es gibt keinen Zaun, höchstens eine optische Begrenzung. Damit wächst unsere Verantwortung. Wir müssen präsent sein und die Situation richtig einschätzen. Wir entscheiden, ob wir den Hund begleiten, die Aufgabe abbrechen, ihn unterstützen oder einfach nur warten.

Dieses Training fordert uns. Es ist keine Routine.

Wie sieht das Training aus?

Unsere Aufgaben sind so vielfältig wie die Orte, an denen wir trainieren. Wir apportieren über kleine Erhebungen, bei denen der Hund das Apportel hört, aber nicht sieht. Wir suchen Dummys, die zwischen alten Industrie­pumpen liegen oder im Bauzaun klemmen.

Wir apportieren auch rückwärts und arbeiten durch schmale Durchgänge. Dummys hängen erhöht, verschwinden im Sand oder liegen im hohen Gras. Manchmal liegt das Apportel zwischen Fahrrädern oder in einer Rohröffnung.

Unsere Hunde dürfen Apportel anzeigen, bringen oder verweisen. Sie dürfen Hilfe einfordern oder es selbst versuchen. Wir wollen, dass der Hund lernt, mit neuen Situationen umzugehen und selbstständig Lösungen zu finden.

Natürlich haben wir alle eine Tonne Apportel. Sie unterscheiden sich in Größe, Form und Gewicht. Unsere Hunde apportieren aber auch Socken, Kochlöffel, Handschuhe, Eimer, Einkaufsbeutel, Taschentücher und Schuhe. Das schult den Griff des Hundes. Weich aufnehmen oder sicher halten. Auch das macht einen großen Unterschied.

Unsere nächste Challenge: Würstchen, Eier und Erdbeeren.

Mehr Lernen - außer Dinge zu tragen

Guerilla-Apport ist alltagstauglich, abwechslungsreich und überall möglich. Dein Hund lernt, konzentriert zu arbeiten, egal wo ihr seid. Du entwickelst ein gutes Gefühl für Führung und Timing. Der eigentliche Gewinn: Gemeinsame Erlebnisse verbinden.

Unsere Hunde beherrschen das Bringen von Beute. Sie folgen aber keinen einstudierten Abläufen, denn die Welt da draußen ist unser Trainingsplatz. Alles, was wir brauchen, ist der gekonnte Apport und gegenseitiges Vertrauen. So können wir jeder neuen Situation offen und positiv begegnen.

Guerilla-Apport ist lebendig und voller Möglichkeiten. Es macht Spaß, fordert aber auch Mut, Flexibilität und ein gutes Gespür für den Moment.

Unsere Prüfung heißt Alltag

Wir trainieren nicht für Prüfungen. Wir wollen, dass unsere Hunde im Alltag zurechtkommen und gleichzeitig eine Beschäftigung haben, die ihren Talenten nah kommt. Unser Ziel sind entspannte und umweltsichere Hunde, die ihre Nase für das einsetzen dürfen, was sie am besten können: Döner, äh, Beute aufspüren.

Wie schön das ist, wenn Hunde ruhig im Restaurant oder im Seminarraum liegenbleiben! Wir wünschen uns Hunde, die sich konzentrieren können und gelassen bleiben, auch wenn es um sie herum wuselt. Apportieren fördert genau das. Manche dieser Fähigkeiten sind sogar Voraussetzung, um überhaupt erfolgreich apportieren zu können. Beispiel: Steadyness. Ein Hund, der nicht sitzenbleibt und nicht warten kann, wird beim Apportieren genauso scheitern wie im echten Leben.

Wenn Hunde nicht so umweltsicher sind, stellt sich die Frage: Warum nicht eine bekannte Übung an einem unbekannten Ort machen? Es spricht nichts dagegen. Im Gegenteil, wir verknüpfen einen fremden Ort mit einem vertrauten Ablauf. Das gibt Sicherheit – für Mensch und Hund.

Natürlich gibt es bei solchen Aufgaben einiges zu bedenken: Wie geht es dem Hund heute? Welche Übung passt zu Ort und Hund? Könnte er das hier schaffen? Denn ich will, dass er es schafft. Und wenn ich ihm doch zu viel zugemutet habe, bin ich da. Helfen ist immer erlaubt.

Was unsere Hunde von sportlich trainierten Dummyprofis unterscheidet: Sie laufen keine 300 Meter geradeaus in einer Linie. Das wäre im städtischen Raum weder möglich noch sicher. Was sie besonders gut können: Sie sind steady, kennen das Einweisen, das Stoppen und das Suchen.

Wenig Platz und kein Vitamin B macht erfinderisch

Wir leben im Ruhrgebiet. Weite Flächen sind rar. Im Wald zu apportieren ist nicht erlaubt – es sei denn, man kennt jemanden mit Revier. Und auch dann hängt alles von den Brut- und Setzzeiten ab.

Deshalb arbeiten wir im öffentlichen Raum. Zwischen Joggern, Kindern und Baustellen. Genau dort, wo sich Hunde sicher bewegen sollen. Das sorgt oft für Kritik. Dabei fördern wir genau das, was sich viele wünschen: umweltsichere Hunde.

Im Grunde ist es egal, wo wir auftauchen. Erlaubt ist das, was wir tun, eigentlich nie so richtig. Vielleicht war genau das der Auslöser für den Begriff Guerilla-Apport.

Ausgewiesene Hundeplätze gibt es natürlich. Aber dorthin würde ich nie gehen! Früher oder später gäbe es eine Keilerei – entweder zwischen den Hunden oder zwischen mir und anderen Hundehaltern. Denn dort trifft man überdurchschnittlich viele Tut-Nixe. Und genauso viele Menschen, die glauben, Hunde müssten alles alleine regeln. Bla, bla, bla. Ganz ehrlich: Das hält mein Herz nicht aus.

Guerilla-Apport: Eine besondere Einstellung zum Hund

Guerilla-Apport ist kein neues Trainingskonzept. So soll es nicht verstanden werden. Und wir haben auch keinem alten System einfach einen neuen, fancy Namen verpasst. Niemand muss Guerilla-Apport nachmachen. Vielleicht sind es zwei oder drei Ideen, die andere Hundehalter:innen inspirieren. Das allein wäre schön.

Beim Apportieren denken viele an ganz viele Regeln. Wir konzentrieren uns auf nur eine: dem Hund die Welt zeigen und dabei Spaß haben. Wir wollen die Welt zusammen mit dem Hund erobern. Denn irgendwo kursiert das Gerücht, der Hund allein wolle die Weltherrschaft an sich reißen. Oder war es doch der Brain?

Unsere Haltung zum Hund ist klar: Hunde können das! Wir trauen ihnen viel zu und öffnen ihnen die Tür zu neuen Erfahrungen. Manche laufen eine offene Metalltreppe hinauf, um Herrchens Schuh zurückzubringen. Andere brauchen dabei Unterstützung. Manche nehmen nur die erste Stufe. Wichtig ist, zu erkennen, was möglich ist – und was (noch) nicht.

Und genau daran wachsen alle. Die Hunde. Und wir Menschen auch.

Viel Spaß bei deinen ersten Versuchen!

Silke